Ein Bericht über das Lager Heidesheim von

Dr. Hans Penner, 76351 Linkenheim-Hochstetten

 

Mein Vater, Dr. Kurt Penner (* 1897), war gegen Kriegsende Hauptmann der deutschen Wehrmacht und stellvertretender Leiter des "Wehrwirtschaftsoffiziers" in Nürnberg. Diese Dienststelle hatte die Verbindung zwischen Wirtschaft und Wehrmacht zu organisieren. Der Dienststellenleiter, Oberstleutnant Dr. Meves, lag schwerverwundet im Nürnberger Standortlazarett, welches trotz Kennzeichnung von den Alliierten bombardiert worden war.

 

Am Sonntag, den 15. April 1945  näherten sich amerikanische Verbände von Norden her Nürnberg. Mein Vater setzte sich mit zusammen mit drei anderen Kameraden in einem mit Holzvergaser ausgestatten Mercedes-PKW Richtung Osten ab und verabschiedete sich von meiner Mutter und mir.

 

Bei Ursulapoppenricht, Nähe Roding, geriet er wenige Tage später in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Dabei wurde ihm seine goldene Taschenuhr geraubt. Auf einem offenen Sattelschlepper wurde er mit anderen gefangenen Soldaten zusammengepfercht nach Heidesheim transportiert. Bei der Fahrt über den Rhein wollte er über Bord springen, aber ein Kamerad merkte das und hinderte ihn daran.

 

In Heidesheim wurden die Gefangenen auf einer sumpfigen Wiese ausgeladen. Es gab keinerlei Unterkünfte oder Gegenstände. Den Gefangenen wurde rohe Kartoffeln als einzige Nahrung vorgeworfen. Die Beinen schwollen so stark an, daß mein Vater die Stiefel nicht mehr ausziehen konnte. Nach einer mir nicht mehr bekannten Zahl von Tagen wurde er mit anderen Gefangenen in ein Lager bei Attichý in der Nähe von Paris transportiert.

 

In Attichý waren die Gefangenen in Zelten untergebracht. Jeder Gefangene hatte einen etwa 35 cm breiten Platz. Umdrehen mußte sich die Zeltbesatzung gleichzeitig. Obwohl im Offizierslager, mußte mein Vater nachts die Stiefel am Bein festbinden, um nicht von den Kameraden bestohlen zu werden. Die Verpflegung war an der Grenze des Existenzminimums oder darunter. Die Gefangenen etablierten eine Art Lageruniversität und lieferten Beiträge aus dem Gedächtnis. Im Lager begegnete mein Vater einem Kameraden aus dem 1. Weltkrieg. In einer besonders tristen Situation riet dieser meinem Vater, zu beten. Mein Vater antwortete, daß er nicht beten könne. "Gut", sagte der Kamerad, "dann werde ich für Dich beten". Dieser Satz traf meinen Vater ins Herz. Er begann, Gott zu suchen. Im September 1945 wurde mein Vater, dem Hungertod nahe, entlassen. Nach schweren inneren Kämpfen wurde mein Vater Christ. "Man muß die Gewißheit haben, in der Hand von Jesus Christus geborgen zu sein, alles andere hilft uns nicht" war eines seiner letzten Worte vor seinem Tod. So hat Gott bei meinem Vater das bittere Schicksal der Gefangenschaft zum Guten gewendet.

 

 

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