Alfred Martensen

 In den Rheinwiesen

bei Büderich  und Wickrathberg

Am 30.4.1945, ausgerechnet an meinem Geburtstag, geriet ich in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Zunächst hielt ich es für ein Geburtstagsgeschenk, bei den Amerikanern in Gefangenschaft zu geraten und weil der Krieg für mich zu Ende war, später wurde ich jedoch eines Besseren belehrt.

Fahrt

Die Amerikaner brachten uns zunächst auf eine große Wiese, dann wurden wir am nächsten Tag auf riesengroße Lastkraftwagen verladen und ab ging es in Richtung Rheinland zu den berüchtigten Rheinwiesen. Die Fahrt dorthin war schrecklich. Wir standen so dicht zusammen wie Sardinen in einer Sardinendose und konnten uns weder bücken noch rühren. Die Fahrt war recht gefährlich.

Manche Straßen, die durch Bäume begrenzt wurden, waren nicht für die überhohen amerikanischen LKWs geeignet. Äste und Zweige fegten über unsere Köpfe hinweg und führten zu Verletzungen. Die Fahrt ging ohne Rücksicht mit großer Geschwindigkeit weiter zu den Rheinwiesen bei Büderich

Lager

Hier wurden wir auf ein großes Feld getrieben, auf dem sich bereits etwa 80 000 Kriegsgefangene befanden. Wir sahen eine graue Menschenmasse, soweit das Auge reichte. Das Feld war umgeben von hohen Wachttürmen, die mit Scheinwerfern ausgerüstet waren und von einem hohen Stacheldrahtzaun mit mehreren aneinander liegenden Stacheldrahtrollen. Außerdem war die Fläche in einzelne, ebenfalls mit Stacheldraht umgebene Camps unterteilt mit jeweils zwei- bis dreitausend Gefangenen. Es waren weder Zelte, Waschräume noch Toiletten vorhanden. Die Menschen lagen auf der nackten Erde, die bald vom Regen aufweichte und sich in Schlamm verwandelte. Mit den Händen oder irgendwelchen Dosen gruben sich die Gefangenen Löcher in die Erde, um Schutz vor Regen und Wind zu haben, trotzdem drang bei anhaltendem Regen die Nässe bis auf die Haut vor und ließ den Körper vor Kälte erzittern. Trinkwasser wurde aus dem Rhein gepumpt und war so stark gechlort, daß es kaum genießbar war. Außerdem mußten die Gefangenen mehrere Stunden anstehen, um ein wenig Wasser zu bekommen. Häufig wurde deshalb Regenwasser in Blechdosen aufgefangen und getrunken. Es dauerte nicht lange, bis die Ruhr ausbrach. Die Gräben, die ausgehoben wurden, um die Notdurft verrichten zu können, füllten sich mit blutigem Kot. Es gab kein Toilettenpapier, geschweige denn Waschmöglichkeiten, um ein Mindestmaß an Hygiene zu gewährleisten. Die Ruhr breitete sich rasant aus und forderte die ersten Verluste, die dann immer häufiger wurden, je mehr die Gefangenen an Unterernährung litten. Warme Mahlzeiten gab es in den ersten vier Wochen überhaupt nicht, denn es waren keine Küchen vorhanden. Die Rationen bestanden zum großen Teil aus unzubereiteten Bestandteilen wie rohe Bohnen, Erbsen, Ei-und Milchpulver, Fleischpulverextrakt und ähnlichem. Dazu mitunter ein Brot für etwa 30 Gefangene und ein etwa walnußgroßes Stück Käse oder Cornedbeef. Die gerechte Verteilung der Portionen war ein Problem für sich. Die letzte Verteilungsstufe für die Verpflegungsrationen waren Gruppen zu je 10 Personen. In dieser Gruppe wurde einer gewählt, der die Rationen aufteilen durfte, anschließend wurden die Rationen verlost. Tee und Kaffee wurden löffelweise verteilt. Da man keine Möglichkeit zum Kochen hatte, wurde der Kaffee gegessen und manch einer hat den Tee geraucht ohne Rücksicht auf die gesundheitlichen Folgen. Eine feiertagsähnliche Stimmung kam auf, wenn es einem gelang, ein wenig Pappe oder Holz von den Verpflegungskisten zu ergattern, womit man ein kleines Feuer entfachen konnte, auf dem man dann in einer Dose Tee oder Kaffee aufbrühte oder eine Suppe mit Hilfe von Fleischextrakt und Erbsen oder Bohnen kochte.

Lagerleitung

Besonders mißtrauisch war man gegenüber dem von den Amerikanern ernannten Lagerleiter und seiner Mannschaft, die die Essenrationen zu verteilen und andere Ordnungsarbeiten zu erledigen hatten. Es waren nicht gerade die vertrauenswürdigsten Personen, sondern meistens selbsternannte Antifaschisten und Speichellecker. 

Sterben

Nach einigen Wochen war der Hunger so groß, daß man an nichts anderem denken konnte als an Essen. Es wurden Rezepte ausgetauscht und fast nur über all die Köstlichkeiten, die man früher einmal genossen hatte, gesprochen. Die Liebe hingegen war hier kein Thema mehr. Der Körper wurde allmählich so geschwächt, daß es schwer fiel, die ganze Nacht umherzuwandern, wenn der Boden vom Regen aufgeweicht war und man sich nicht hinlegen konnte. Es gab manche, die so durch Krankheit und Unterernährung geschwächt waren, daß sie auf dem nassen Boden liegen blieben, oft war dies der Anfang vom Ende. Andere gruben sich fuchsartige Höhlen, um sich vor der Nässe zu schützen, jedoch stürzten die Höhlendecken, die ja nicht durch Balken oder dergleichen gestützt waren, bei anhaltendem Regen mitunter ein und begruben die darunter liegenden Menschen. Jeden Morgen wurden die in der Nacht verstorbenen Kriegsgefangenen gesammelt und an einem Platz am Drahtzaun deponiert, wo sie dann einmal täglich auf einen LKW verladen und abtransportiert wurden. Die am Tage im Sterben liegenden wurden in ein benachbartes Sanitätscamp getragen, wo sie jedoch auch nur auf Tragen am Boden lagen und starben.

Läuse

Ein Problem besonderer Art waren die vielen Läuse, die sich am ganzen Körper durch Juckreiz bemerkbar machten. Es war unmöglich, diese Plagegeister los zu werden, denn die einzige Wäsche, die man besaß, trug man am Leibe und war von Läuseeiern, den so genannten Nissen durchsetzt, so das die Zahl der neu geschlüpften Läuse die der "erlegten" mehr als wettmachte.

Kameraden

Interessant, aber nur im nachhinein, ist die psychische Komponente in Bezug auf das soziale Verhalten von Menschen, die in einer Notsituation leben, wo jeder um das nackte Überleben kämpft. Es war schwer, neue Freundschaften zu knüpfen, das Mißtrauen gegenüber jedem war groß. Die Gefangenen hatten sich zu Kleinstgruppen von zwei bis drei Personen zusammengeschlossen, die sich meistens eine Art von Höhle oder Burg gebuddelt hatten und sich gegenüber der Umgebung abschotteten. Einer mußte immer in der Höhle bleiben, um aufzupassen, daß nichts gestohlen wurde. In der Nacht erscholl oft der Ruf:

"Haltet den Dieb". Wenn einer dann gefaßt wurde, mußte er um sein Leben fürchten.

Schmuggel

In jedem Lager bildete sich relativ schnell eine Händler- oder Schmugglerkaste heraus, die einen schwunghaften Handel über Stacheldrahtzäune hinweg zu den Bewachern mit Zigaretten, Ringen und Uhren betrieben und fast alles besaßen, was zum Überleben nötig war: Regenmäntel, Decken, Lebensmittelkonserven usw. Es hatten sich bald feste Preise gebildet wie z.B. 20 Zigaretten für einen Ehering und für eine Armbanduhr je nach Qualität 30 bis 60 Zigaretten.gFür Zigaretten konnte man wiederum alles mögliche eintauschen, vor allen Dingen Lebensmittel un d Holz, um sich eine Suppe zu kochen oder gar eine Decke.gIch selbst hatte nichts zum Eintauschen.

Meinem Kameraden, mit dem ich schon vor meiner Gefangennahme zusammen war, ging es ebenso.

Hilfe von außen

Mitunter versuchten Menschen aus den umliegenden Ortschaften, Brot über den Drahtzaun zu werfen. Meistens wurden sie jedoch von den Wachtposten brutal weggejagt. Einzelne, besonders schwarze Soldaten, erwiesen sich als gutmütig und ließen Menschen, die uns etwas über den Zaun werfen wollten, gewähren. Leider wurden diese Wohltaten oft dadurch zunichte gemacht, daß die über den Zaun geworfenen Pakete und Brote von dem Zugriff der vielen gierigen Hände zerfetzt wurden und so manches Stück Brot zertreten wurde. Ausgehungerte Menschen sind wie Tiere und der Egoismus ist grenzenlos wenn es ums Überleben geht.

Nach etwa vier Wochen wurden so genannte Gulaschkanonen aufgestellt und es gab dann einmal am Tag eine dünne, wässrige Suppe mit einzelnen Gemüsestückchen drin.

Hoffnung auf Entlassung

Außer vom Essen wurde auch oft über Entlassungstermine aus der Gefangenschaft gesprochen. Es gingen Gerüchte herum, daß die Gefangenen aus der sowjetisch besetzten Zone den Russen übergeben werden sollten. Dann hieß es wiederum, daß der Jahrgang 1927 entlassen werden sollte. Leider gehörte ich dem Jahrgang 1926 an, aber ich dachte, ich könnte mich etwas verjüngen, indem ich in meinem Soldbuch aus der 6 eine 7 machte. Ich tat es jedoch so ungeschickt, daß es jedem auffallen mußte. Mit einem scharfen Gegenstand hatte ich so lange gekratzt, bis die Stelle, wo die sechs war, schon durchsichtig geworden war. Außerdem hatte ich die sieben so stark gezeichnet, daß sie zu sehr hervortrat. Mir schlug nun das Gewissen, daß ich eine Urkundenfälschung begangen hatte. Die baldige Entlassung erwies sich als eine Latrinenparole. Ich war so enttäuscht, daß ich mein Soldbuch verbrannte und mir damit einen Tee kochte. Später sollte es mir zum Schaden gereichen, indem man mich verdächtigte, bei der Waffen SS gewesen zu sein, noch dazu , weil ich am linken Oberarm zwei Narben von meiner Verwundung hatte. Es war zu dieser Zeit keine Seltenheit, daß sich Angehörige der Waffen SS die Nummertätowierung herausschnitten oder herausbrannten, um nicht identifiziert zu werden.

Trennung

Das nächste Unglück, wenigstens für mich, ließ nicht lange auf sich warten.

Mein Kamerad und Weggefährte, den ich in der Schweriner Garnison kennengelernt hatte, wurde in ein anderes Camp verlegt, wahrscheinlich, weil er Saarländer war und sein Entlassungstermin kurz bevor stand. Nun hockte ich allein in meinem Loch und habe mich erst einmal richtig ausgeheult. Ständig mußte ich nun meine Sachen mit mir herumtragen, wenn ich mein Loch verließ.

In der Nacht wurde viel gestohlen und ich lief fast jede Nacht umher, besonders bei Regen, um nicht krank zu werden. Ja, und dann hatte ich keinen mehr, mit dem ich mein Leid teilen konnte. Neue, wahre und richtige Freundschaften waren nur schwer zu knüpfen, wo jeder nur auf das eigene Leben bedacht war.

Warum?

Allmählich begann ich, die Amerikaner zu hassen, die uns so verkommen ließen, verlaust und verdreckt, keine Möglichkeit, sich zu waschen, der Witterung ausgesetzt wie Vieh, körperlich durch Hunger geschwächt, so daß man sich nur mühsam vom Boden erheben konnte. Der Gang wurde immer schleppender. Die längste Zeit ohne Stuhlgang betrug bei mir 14 Tage. Man bekam das Gefühl, innerlich zu verfaulen. Die winzigen Portionen wurden fast vollständig vom Körper resorbiert. Viele Gefangene lagen im Schlamm ohne Kraft, sich zu erheben. Eine derart menschenverachtende Behandlung hätte man sich bei der Gefangennahme nicht vorstellen können. Nur bei den Russen hatte man von ähnlichen Zuständen gehört. Wir faßten es als eine bewußte Bestrafung dafür auf, daß wir für Hitler gekämpft hatten und dieser Ansicht bin ich noch heute.

Wickrathberg

In Büderich lag ich noch weitere Wochen, bis es eines Tages hieß, daß wir am nächsten Tag in ein anderes Lager verlegt werden sollten. Wieder rollten riesengroße LKWs heran, auf die wir wieder mit lauten `lets go` und `come on` Rufen wie Vieh verladen wurden. Die letzten wurden brutal gestoßen, um so viele wie möglich auf den Transporter unterzubringen. An der Himmelsrichtung versuchten wir uns zu orientieren, wo es hinging. Die Fahrt ging erst nach Süden, dann nach Westen. Nach mehreren Stunden waren wir in Wickrathberg angelangt und sahen zu unserem Entsetzen ein ähnliches Lager wie in Büderich. Wir wurden auf ein großes Feld getrieben, welches unterteilt war in einzelne Camps, Felder, die mit hohen Stacheldrahtrollen umzäunt waren. An den Außenzäunen standen hohe Wachttürme, ausgerüstet mit Maschinengewehren und Scheinwerfern. Die Camps waren neu eingerichtet und wir waren die ersten, die das Feld betraten, überall noch frischgrünes Gras und gelb blühender Löwenzahn, allerdings nicht mehr lange. Was nicht zertreten wurde, war bald maulwurfsartig mit Händen und leeren Dosen umgewühlt, um Schutz vor Wind und Regen zu haben. Einige versuchten noch vorher, Löwenzahn zu sammeln, um ihn dann als Blattsalat zu essen. Es waren auch hier keine Zelte, Toiletten und Waschräume vorhanden, nur Gräben, in denen man seine Notdurft verrichten konnte und die sich auch hier bald von den an der Ruhr erkrankten durch Blut rot färbten. Erstmals wurden hier nach einigen Tagen Küchen eingerichtet und wir bekamen jeden Tag eine dünne Suppe, in der einige Gemüsestücke drin waren und wenn man Glück hatte, auch ein Stückchen Fleisch. Jedenfalls ging das Hungern und Sterben hier weiter und wir wurden wie in Büderich von Läusen und von der Ruhr heimgesucht.

Fahrt nach Belgien

Mitte Julie 1945 wurden wir ohne große Ankündigung in einen langen Güterzug verladen, in jeden Wagen etwa 30 Gefangene. Die Schiebetüren wurden verschlossen und verriegelt, so daß sie von innen nicht geöffnet werden konnten. In jedem Wagen waren zwei Eimer zur Verrichtung der Notdurft.

Zunächst hatten wir die Befürchtung, an die Russen ausgeliefert zu werden.

Wir versuchten, uns zu orientieren, jedoch ließen die geschlossenen Türen nur spaltförmige Blicke in die Außenwelt zu. Nach Einbruch der Dunkelheit war es dann vollkommen unmöglich, sich zurecht zu finden. Oft schwappten die Notdurft- Eimer von den Rangierstößen über, so daß die in der Nähe dieser Eimer liegenden arg betroffen waren, ohne wegen der Platzenge ihre Lage verbessern zu können. Einer von den Betroffenen war ich und mir saß die Angst im Nacken, von der Ruhr angesteckt zu werden, aber ich hatte wohl einen Schutzengel. Auf manchen Rangiergleisen blieben wie stundenlang stehen. Erst am Morgen erreichten wir einen kleinen Bahnhof in der Nähe von Waterloo in Belgien. Es folgte ein langer Fußmarsch durch etliche kleine Ortschaften. Die Menschen, die uns sahen, betrachteten uns wie Wesen aus der Unterwelt, die ihre gerechte Strafe bekommen hatten. Sehr menschlich sahen wir auch nicht aus in unseren verdreckten und zerlumpten Uniformen, an denen wir unsere Habe drangehängt hatten wie Blechbüchsen, Brotbeutel, manche auch Decken und Matten, die sie sich irgendwie besorgt hatten. Unser Ziel war ein Zeltlager, welches aus Rundzelten bestand, die jeweils etwa 12 Personen Schutz boten.

Briten

Es wurden Decken und Liegematten verteilt. Außerdem war das Lager mit Waschräumen und Toiletten ausgestattet, für uns ein vollkommen neues Lebensgefühl. Zu unserem größten Glück wurden die amerikanische Bewacher durch britische abgelöst. Schon am nächsten Tag begann man, unsere Läuse zu bekämpfen, indem wir von Kopf bis Fuß mit Mengen von DDT- Pulver eingestäubt wurden und das mehrmals in einem Intervall von einigen Tagen. Unsere verlauste Kleidung wurde verbrannt und wir erhielten Unterkleidung, Strümpfe, Schuhe und eine  POW (Prisoner of War) Uniform, die auf dem Rücken und auf den Knien mit gelb gefärbten Flicken versehen waren. Für uns war es die Hauptsache, daß diese Kleidung warm, sauber und zweckmäßig war. Zum ersten mal in unserer Gefangenschaft erhielten wir Eßgeschirre und Trinknäpfe. Zweimal am Tag, morgens und mittags, bekamen wir eine warme Suppe, die recht schmackhaft und nährhaltig war. Abends 1/4 Weißbrot mit einer Portion Aufschnitt, dazu den englischen, gesüßten Tee mit Milch. Wir erholten uns hier zusehends. Die Kranken kamen in ein Lazarettlager und wurden ärztlich versorgt. Meine Gefangenschaft bei den Briten dauerte bis 1948. Während dieser ganzen Zeit kann ich über keinen einzigen Fall von menschenunwürdiger oder menschenverachtender Behandlung berichten. Die Verpflegung war ausreichend, die Behandlung korrekt und die medizinische Versorgung immer gewährleistet. Fortan gab es keine `lets go` und `come on` Rufe, keine Schläge mit Gewehrkolben und keine Gewehre, die im Anschlag auf einem gerichtet waren.

Totengedenken

Ich habe diesen Bericht geschrieben, um der vielen Toten zu gedenken, die in den Rheinwiesenlagern umgekommen sind und die ein Recht darauf haben, daß ihr Leidensweg nicht in Vergessenheit gerät, zumal die Zeugen dieser Zeit immer weniger werden. Zum anderen diente es dem Zweck, der weitläufigen Meinung entgegenzutreten, daß nur in sowjetischer Kriegsgefangenschaft viele ihr Leben lassen mußten wegen Unterernährung, Kälte, Mißhandlungen und unzureichender hygienischer und medizinischer Versorgung.

 

Paul Jäger

Das Gefangenenlager Rheinberg-Büderich

Meine amerikanische Gefangenschaft 1945 begann im Lager Rheinberg-Büderich. Das Leben in diesem Lager kann man nur als menschenunwürdig bezeichnen. Von der ersten Stunde <an nahm ich mir vor, ein Buch unter dem Titel: „Ich klage an“, zu schreiben. Im Schmutz liegend und zum Knochengerüst abgemagert half mir dieser Gedanke, über die nächsten Monate hinwegzukommen. Ich registrierte alle Details, um sie später zu veröffentlichen......

...daß wir in Rheinberg ohne Zelte auf der Erde gelegen hatten. Täglich regnete es. Wir gruben uns mit Blechdosen und mit den Händen Löcher in den sandigen Boden. Die Erdlöcher stürzten ein. Man schätzte die Verschütteten auf etwa 230 pro Nacht. Niemand konnte die Menschen ausgraben, keiner war registriert worden. Mit Bulldozern ebneten die Amerikaner die Gruben mitsamt den Toten ein und verboten den Gefangenen, neue Löcher zu schaufeln.

 

Wanderer zwischen den Welten, Die Lebenserinnerungen des Landauer Architekten Paul Jäger,
aufgezeichnet von Wiltrud Woisetschläger, Impflingen, 2005, S. 66

 

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